Heidelberg-Neckar

Juni 2025

Liebe Patientinnen und Patienten,

Unsere Praxis ist in den nächsten zweieinhalb Monaten – also bis Mitte August – durchgehend offen, nur in den 4 Tagen nach dem Pfingstfest vertritt uns Frau Dr. Wang – praxis-wang.de.

Mit herzlichen Grüßen
Verena Jung, Christoph Jung, Dieter Jung und das gesamte Praxisteam

Blücher am Rhein

Die Heere blieben am Rheine stehn:
Soll man hinein nach Frankreich gehn?
Man dachte hin und wieder nach,
allein der alte Blücher sprach:
„Generalkarte her!
Nach Frankreich gehn ist nicht so schwer.
Wo steht der Feind?“ – „Der Feind? – dahier!!“
„Den Finger drauf! Den schlagen wir!
Wo liegt Paris?“  – „Paris? – dahier!“
„Den Finger drauf! Das nehmen wir!
Nun schlagt die Brücken übern Rhein!
Ich denke, der Champagnerwein
wird, wo er wächst, am besten sein!“

August Kopisch (1799 – 1853)

Zum Juni

Napoleon

„Ran wie Blücher!“ sagt man als deutsches Idiom. In diesem Juni jährt sich Waterloo zum 210. Male. Blücher war damals der Oberbefehlshaber der preußischen Armee. Sein Eingreifen am späten Nachmittag des 18. Juni 1815 brachte Napoleon in die Enge und machte den alliierten Sieg erst möglich. Und auch wenn Napoleon diese Schlacht verloren hat, bleiben doch sieben mit seiner Person verbundene Einführungen, für die ich ihn immer bewundern werde:

1. die des Meters
2.
die des Dezimalsystems für Maßeinheiten
3.
die der Zivilehe
4.
die des Codes Napoleon ähnlichen BGB
5.
die des Rechtsverkehrs für den größten Teil der Welt
6.
die der Konservendose („eine Armee marschiert auf dem Magen“)
7.
die von Straßennamen und Hausnummern

 

„Mach mir ja keine Fisimatenten“ sagten Heidelberger Mütter zu ihren Töchtern, wenn die französischen Offiziere sie mit den Worten Visitez ma tente!“ (Besuchen Sie mein Zelt!) lockten. 

Bevor wir uns alle an Pfingsten an entfernte Urlaubsziele weghoffen, noch einmal die Wichtigkeit, dass Glück auch im HIER zu finden: „Du mußt aus deiner Gegend alles holen“ sagt Dr. med. Gottfried Benn (1886-1956) in seinem Gedicht Melancholie. Es ist Teil von Benns späterem Werk und reflektiert seine poetische Entwicklung von expressiver Frühlyrik hin zu einer reiferen, introspektiven Dichtung.

 

Gänsedistel

Melancholie

Was ist der Mensch – die Nacht vielleicht geschlafen,
doch vom Rasieren wieder schon so müd,
noch eh ihn Post und Telefone trafen,
ist die Substanz schon leer und ausgeglüht,

ein höheres, ein allgemeines Wirken,
von dem man hört und manches Mal auch ahnt,
versagt sich vielen leiblichen Bezirken,
verfehlte Kräfte, tragisch angebahnt:
man sage nicht, der Geist kann es erreichen,
er gibt nur manchmal kurzbelichtet Zeichen.

Nicht im Entferntesten ist das zu deuten,
als ob der Schöpfer ohne Seele war,
er fragt nur nicht so einzeln nach den Leuten,
nach ihren Klagen, Krebsen, Haut und Haar,
er wob sie aus Verschiedenem zusammen
dass er auch noch für andere Sterne braucht,
er gab uns Mittel, selbst uns zu entflammen
– labil, stabil, labil – man träumt, man taucht:
schon eine Pille nimmt dich auf den Arm
und macht das Trübe hell, das Kalte warm.

 

Du mußt aus deiner Gegend alles holen,
denn auch von Reisen kommst du leer zurück,
verläßt du dich, beginnen Kapriolen
und du verlierst dich Stück um Stück.

Von Blumen mußt du solche wählen,
die blühn am Zaun und halb im Acker schon,
die in das Zimmer tun, die Laute zählen
des Lebens Laute, seinen Ton.

 

 

Gottfried Benn (1886-1956)

Highdelberg

Papstwahl und Braguette

Friedrich, der „Siegreiche“, führte das Motto: „Huiyt Kurfürst oder nie“. Er liebte es, morgens zum Frühstück in das Land des Bischofs von Mainz auszureiten – also in das Gebiet nördlich des Neckars – und gelegentlich eine Stadt zu erobern, um sie seinem Herrschaftsbereich einzuverleiben. So kam beispielsweise die heute kleine Gemeinde Friedrichsfeld zu Heidelberg. Da Friedrich sich für nichts schämte, wird er in der Galerie der Heidelberger Kurfürsten im Friedrichsbau mit der größten Schamkapsel dargestellt: Ganze 50 cm misst sein Braguette – ausgesprochen protzig! Warum das Ganze? Nun, bisher kannten Sie vielleicht nur das Wort „Baguette“. Jetzt wissen Sie auch, was ein Braguette ist – mit „R“.

Vergangenen Monat erst, haben die 133 Herren Kardinäle – dank dem Heiligen Geist – sehr anständig gewählt. Die höchsten Repräsentanten der römisch-katholischen Kirche sitzen während eines Konklaves an den beiden Längsseiten eines der prachtvollsten kirchlichen Räume überhaupt: der Sixtinischen Kapelle. An den Wänden finden sich auf der einen Seite Szenen aus dem Leben Jesu, auf der anderen aus dem Leben des Moses. Über ihnen wölbt sich die Decke, die allein Michelangelo bemalen durfte – von 1508 bis 1512, vermutlich ohne jegliche Schüler. Er schuf Szenen von überirdischer Schönheit. Der Italienreisende Goethe notierte dazu: „Ohne die Sixtinische Kapelle gesehen zu haben, kann man sich keinen anschauenden Begriff machen, was ein Mensch vermag.“

Im Angesicht dieser Fresken bietet sich den Kardinälen auch Gelegenheit, über den Kulturkampf nachzudenken, der die Kirche immer wieder beschäftigt hat. Nach Michelangelo entbrannte eine heftige Debatte über die Darstellung nackter Körper auf seinem monumentalen Stirnwandfresko „Das Jüngste Gericht“. Man hielt sie für obszön, ja geradezu amoralisch. Tatsächlich mussten zahlreiche Geschlechtsteile nachträglich übermalt werden. Dabei erlangte Michelangelos Schüler Daniele da Volterra eine gewisse Berühmtheit – als Braghettone, also „Hosenmaler“. Erst viele Jahre später wurde das Fresko wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt.

Medizyn

Doom-Scrolling: die neue Sucht 

Wir wischen wie endlos über die Displays unserer Handys und werden zugemüllt mit schlechten Nachrichten, oder schadenfrohem peinlichen Lachen. Das weitverbreitete Phänomen nennt sich Doomscrolling. Von morgens bis abends starren wir auf Kriege, Krisen, Katastrophen. Jede Generation muss mit neuen Süchten kämpfen, das wussten schon die Rolling Stones, als sie 1966 das Lied Mother’s Little Helper schrieben: die Valium-Abhängigkeit, wie sie heute noch existiert.

Mother’s Little Helper
What a drag it is getting old
„Kids are different today,“ I hear every mother say
Mother needs something today to calm her down
And though she’s not really ill, there’s a little yellow pill
She goes running for the shelter of her mother’s little helper
And it helps her on her way, gets her through her busy day
„Things are different today,“ I hear every mother say
Cooking fresh food for her husband’s just a drag
So she buys an instant cake, and she burns a frozen steak
And goes running for the shelter of her mother’s little helper
And two help her on her way, get her through her busy day
Doctor, please, some more of these
Outside the door, she took four more
What a drag it is getting old
„Men just aren’t the same today,“ I hear every mother say
They just don’t appreciate that you get tired
They’re so hard to satisfy, you can tranquilize your mind
So go running for the shelter of a mother’s little helper
And four help you through the night, help to minimize your plight
Doctor, please, some more of these
Outside the door, she took four more
What a drag it is getting old
„Life’s just much too hard today,“ I hear every mother say
The pursuit of happiness just seems a bore
And if you take more of those, you will get an overdose
No more running for the shelter of a mother’s little helper
They just helped you on your way, through your busy dying day
Hey

The Rolling Stones (1966)

„Denk ich an Deutschland in der Nacht – bin ich um den Schlaf gebracht!“

Apropos Doomscrolling – Hier meine Gedanken zu dem wohl am häufigsten falsch gebrauchten Zitat in Deutschland. Keinesfalls sorgte sich Heine um Deutschland oder seine Eichen, sondern ausschließlich um seine Mutter!
Kommen Sie zu unserem Kurs Waldweben – der hilft! Es ist ein Hop-on-Hop-off Kurs. Sie können jederzeit einsteigen und jede Stunde macht Spaß.

Nachtgedanken

Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen
Und meine heißen Tränen fließen.

Die Jahre kommen und vergehn!
Seit ich die Mutter nicht gesehn,
Zwölf Jahre sind schon hingegangen;
Es wächst mein Sehnen und Verlangen.

Mein Sehnen und Verlangen wächst.
Die alte Frau hat mich behext.
Ich denke immer an die alte,
Die alte Frau, die Gott erhalte!

Die alte Frau hat mich so lieb,
Und in den Briefen, die sie schrieb,
Seh ich, wie ihre Hand gezittert,
Wie tief das Mutterherz erschüttert.

Deutschland hat ewigen Bestand,
Es ist ein kerngesundes Land!
Mit seinen Eichen, seinen Linden
Werd ich es immer wiederfinden.

Nach Deutschland lechzt ich nicht so sehr,
Wenn nicht die Mutter dorten wär;
Das Vaterland wird nie verderben,
Jedoch die alte Frau kann sterben.

Seit ich das Land verlassen hab,
So viele sanken dort ins Grab,
Die ich geliebt – wenn ich sie zähle,
So will verbluten meine Seele.

Und zählen muß ich – Mit der Zahl
Schwillt immer höher meine Qual,
Mir ist, als wälzten sich die Leichen
Auf meine Brust – Gottlob! sie weichen!

Gottlob! durch meine Fenster bricht
Französisch heitres Tageslicht;
Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen,
Und lächelt fort die deutschen Sorgen.

Heinrich Heine (1797-1856)

Baumbestimmung im Schlossgarten

Vor zwanzig Jahren habe ich alle damals im Schlossgarten stehenden Bäume bestimmt. Das Ergebnis war eine vollständige Liste mit nummerierten Bäumen – zu erkennen an den runden Ziffern am Stamm. Die Zählung beginnt bei Baum Nr. 1 (ein Bergahorn gegenüber dem Restaurant Burgfreiheit) und reicht bis zu Baum Nr. 778 (ein Spitzahorn am Schloß-Wolfsbrunnenweg).

Diese Liste finden Sie hier auf der alten Homepage: Klicken Sie auf „BAUMGEDANKEN“ und schließlich auf „BAUMLISTE SCHLOSSPARK“. Zwar wurden seither einige Bäume gefällt und neue gepflanzt, doch im Großen und Ganzen bietet die Liste nach wie vor eine schöne und hilfreiche Orientierung.

 

An die Nachgeborenen
Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!
Das arglose Wort ist töricht. Eine glatte Stirn
Deutet auf Unempfindlichkeit hin. Der Lachende
Hat die furchtbare Nachricht
Nur noch nicht empfangen.
Was sind das für Zeiten, wo
Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist.
Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!

Bertolt Brecht (1898-1956)

Immer am 6. Juni tragen die riesigen Esskastanien leuchtende Blüten, die den ganzen Wald am Königstuhl leicht gelb aussehen lassen – der Markierungspunkt in der Natur für diesen Monat.

English

While reading the international press last month, three cartoons caught my eye.
What struck me — something I hadn’t fully realized before — is how many German loanwords have made their way into the English language. Fascinating! Apparently, there are certain situations and phenomena for which we Germans have a precise term — and the English-speaking world doesn’t.

This small selection says quite a lot about our culture and character:Schadenfreude, Zeitgeist, Angst, Übermensch, Doppelgänger, Weltschmerz, Poltergeist, Wunderkind and Kitsch.

Post Scriptum

Traurig und gesenkten Hauptes nehmen wir Abschied von der Schwan-Apotheke, die ab Juni nicht mehr existiert – ein Teil des Artensterbens in der Altstadt. Ist es der Druck der Amazon-analogen Versandapotheken? Ist es der Mietpreis-Spiegel in der Hauptstraße, dass nur noch die Alles-1-Euro-Geschäfte überleben können? Ist es der fehlende Gestaltungswille der Stadt, dass nur noch der Prädatoren-Kapitalismus eine Chance hat? Dabei hat der Vor-Vor-Vorgänger dieser Apotheke) die chemische Formel des Nikotins entschlüsselt und so gut verdient, dass er der Stadt und ihren Bürgern die Posselt-Lust schenkte, die kleine Burg auf dem Kohlhof!

Und ganz zum Schluss noch ein erbauliches Ergebnis einer Langzeitstudie:
Kaffee-Studie
Good night Highdelberg - Juni 2025