Langsam pendeln sich die Tagestemperaturen in Heidelberg wieder im zweistelligen Bereich ein. Auch wenn uns noch knapp drei Wochen vom kalendarischen Frühlingsanfang trennen, kann man es dennoch schon spüren – die Luft entlang des Neckars riecht anders: Endlich März.
Gut so, denn nun dürfen wir hoffen, dass die zuletzt grassierende Influenzawelle wieder abklingen wird, die auch vor unserer Praxis nicht Halt gemacht hat. Damit ist nicht bloß das vermehrte Patientenaufkommen der letzten Zeit gemeint, sondern auch ganz konkret die Gesundheit von Dr. Dieter Jung, den es diesmal selbst heftig erwischt hat. Eine Erfahrung, über die er in diesem Rundbrief aus persönlicher Perspektive resümieren wird.
Fasching, Ostern und Pfingsten fallen dieses Jahr so spät wie kalendarisch nur möglich, so dass der Heidelberger Faschingsumzug erst am 04. März stattfindet. Wie üblich wird unsere Praxis auch in diesem Jahr wieder während der Faschingswoche geschlossen bleiben. Unsere kompetenten Kollegen der Praxen Dr. Wang, Dr. Rustrom und Dr. Grube werden uns in dieser Zeit vertreten. Nähere Informationen hierzu finden Sie im Infokasten auf unserer neuen Praxis-Website.
Ein Hinweis noch in eigener Sache, bevor wir uns den literarischen, den historischen und den regionalen Themen widmen: Unser beliebter Kurs in Autogenem Training ist seit Jahresbeginn ein Hop-on-Hop-off-Kurs. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, sich jederzeit nach einem kurzen Vorgespräch anzuschließen.
Mit herzlichen Grüßen Verena Jung, Christoph Jung, Dieter Jung und das gesamte Praxisteam
In fünfzig Jahren ist alles vorbei
Und bist du ein Eh’mann und kommst nach Haus halb drei in der Nacht – und sie schimpft dich aus, Dann schmeiß dich ins Bette und sag „Verzeih, Wär‘ ich zu Hause geblieben, wär’s auch halb drei.“ Und kehr‘ den Rücken und denk‘: „Nu schrei!“ In fünfzig Jahren ist alles vorbei.
O. Reutter
Der Rabe Ralf
Der Rabe Ralf will will hu hu dem niemand half still still du du half sich allein am Rabenstein will will still still hu hu
Die Nebelfrau will will hu hu nimmt’s nicht genau still still du du sie sagt nimm nimm ’s ist nicht so schlimm will will still still hu hu
Doch als ein Jahr will will hu hu vergangen war still still du du da lag im Rot der Rabe tot, will will still still du du
C. Morgenstern
Zum März
Aufmerksame Rundbrief-Lesende rätseln sicherlich, in welchem Zusammenhang die oberen Verszeilen mit dem Frühlingsmonat März stehen. Eine berechtigte Frage, auf die eine sehr persönliche Antwort folgt: Diese Zeilen kamen mir (Dr. Dieter Jung) in der letzten Februarwoche in den Sinn, als meine Gattin Gabriele mir darüber berichtete, wie ich mich nachts im influenzabedingten Fieberwahn verhielt. Krankheitsbedingt bekam ich kein Auge zu und entschied mich, erstmalig eine Schlaftablette einzunehmen, die mich erwartungsgemäß für mehrere Stunden in festen Tiefschlaf versetzte. Das zumindest dachte ich.
Laut Diagnose meiner Ehefrau Gabriele war ich in dieser Nacht jedoch entgegen meiner Selbstwahrnehmung sehr redselig und aktiv. Der Blick in den Beipackzettel und eine Internetrecherche am nächsten Tag bestätigten dies. Dort war von neuropsychiatrischen Nebenwirkungen wie Halluzinationen, Sinnesverzerrungen, Delirium, Parasomnien oder komplexen Schlafverhaltensweisen und Amnesie die Rede. Viele Fälle umfassten Schlafwandeln, Schlaffahren, Essen im Schlaf, Kochen im Schlaf, Schlafshopping und sogar den Aktienhandel im Schlaf.
Na, wenn das nicht an Otto Reutter erinnert, einen der großen deutschen Humoristen des frühen 20. Jahrhunderts, dann weiß ich auch nicht. Besagtes Präparat werde ich jedenfalls so bald nicht wieder zu mir nehmen. Zum Glück ließen die Symptome meiner Influenza nicht erst nach fünfzig Jahren nach.
Und was den „Ralf den Raben“ angeht, tja, der ist zu dieser Jahreszeit häufig in unseren Gefilden anzutreffen. Ein wahrlich faszinierendes Tier – will will hu hu!
Highdelberg
Spätestens seit Alfred Hitchcocks cineastischen Meisterwerk „Die Vögel“ werden viele Mitmenschen von Angstzuständen geplagt, wenn sie dem Raben Ralf und seinen Artgenossen begegnen. Wissenschaftler sprechen von einer sogenannten Ornithophobie – dem Unbehagen, das manche in der Nähe von Vögeln oder auch schon bei dem Gedanken an diese empfinden. Es gibt unzählige solcher Phobien, von denen viele wie Zungenbrecher klingen und manche die Nicht-Betroffenen durchaus amüsieren – etwa die Anatidaephobie, die irrationale Angst, von einer Ente beobachtet zu werden.
Litt nicht unter Anatidaephobie: „Franz von Assisi predigt den Vögeln“ – Giotto di Bondone (1267-1337)
Begibt man sich zum Spaziergang auf die Heidelberger Neckarwiese erscheint diese Phobie nicht mehr ganz so irrational. Zu dieser Jahreszeit brüten dortnämlich Enten, Gänse und Schwäne und verteidigen ihre Nester mit vehementer Entschlossenheit. Beobachtet man die gefiederten Anwohner jedoch aus einer gewissen Entfernung, besteht absolut keine Veranlassung, sich durch den bloßen Blickkontakt verunsichern zu lassen. Beabsichtigt man hingegen einen barfüßigen Spaziergang über die Wiese, kann einem angesichts der Vogelexkremente durchaus mulmig zumute werden. Da hilft nur festes Schuhwerk oder ein Ausweichen auf den Gehweg.
Wenn wir auf unserem Frühjahrsspaziergang bereits entlang des Ufers unterwegs sind, nutzen wir die Gelegenheit doch, um unser Allgemeinwissen über einen besonders standhaften Neckar-Beobachter aufzufrischen: Kurfürst Karl Theodor, der stolz über die Alte Brücke wacht, die offiziell seinen Namen trägt.
1779 versuchte er Bayern gegen die Österreichischen Niederlande zu tauschen, was ihn bei der bayerischen Bevölkerung nicht gerade beliebt machte. Er hoffte durch Verhandlungen mit dem Kaiser auf die Macht über ein Königreich Burgund. Wien hatte ihm den Titel „König von Burgund“ sogar bereits zugesichert. Doch die Pläne scheiterten am Widerstand Karl Augusts und Friedrichs II., die 1785 den Fürstenbund initiierten, um das Tauschgeschäft zu verhindern. Schade eigentlich, sonst wäre Europas Hauptstadt Brüssel wohl heute noch aufs Engste mit Heidelberg verbunden.
Medizyn
Wie steht es zu Frühlingsbeginn um die guten Vorsätze für 2025? Sind Sie noch standhaft, oder hat sich bei Ihnen mittlerweile eine gewisse Gleichgültigkeit breitgemacht – ganz so, wie es einst Kurfürst Ottheinrich erging, der von 1556 bis 1559 in Heidelberg regierte und die evangelische Religion hier einführte? Er war in gleich dreifacher Hinsicht ein „160er-Mann“: 160 cm groß, 160 kg schwer und mit einem Bauchumfang von beachtlichen 160 cm.
Ottheinrich nahm seine Körperfülle gelassen und sagte sich: „Wennich so viel Hunger habe, dann hat Gott mich so gewollt“ und dichtete entsprechend:
Ich meid und hass Jeds leere Fass, Denn ich liebe das Volle Glas Und schöne Mädchen fürbass.
(Fürbass – altdeutsch für „erst recht“ oder „umso mehr“).
Gemälde von Georg Pencz (1500-1550)
Ruf zum Sport.
Auf ihr steifen und verdorrten Leute aus Büros, Reißt euch mal zu richt’gen Sporten Von den Öfen los.
Bleiches Volk an Wirtshaustischen, Stellt die Gläser fort. Widme dich dem freien, frischen, Frohen Körpersport.
Doch nicht nur der Sport im Winter, Jeder Sport ist plus, Und mit etwas Geist dahinter
Sport macht Schwache selbstbewußter, Dicke dünn, und macht Dünne hinterher robuster, Gleichsam über Nacht.
Sport stärkt Arme, Rumpf und Beine, Kürzt die öde Zeit, Und er schützt uns durch Vereine Vor der Einsamkeit,
Nimmt den Lungen die verbrauchte Luft, gibt Appetit; Was uns wieder ins verrauchte
Wo man dann die sporttrainierten Muskeln trotzig hebt, Und fortan in rauchdurchwebten Kneipenräumen weiterlebt
Joachim Ringelnatz (1883-1934)
Eine wohlgemeinte Aufforderung zur sportlichen Betätigung, ganz im Sinne des großartigen Joachim Ringelnatz, geben auch wir gelegentlich gerne. Die Rolle der Ernährungsexperten lehnen wir in der Praxis Dres. Jung hingegen eher ab und sprechen nur ungern über Diäten. Es gibt bereits so viele selbsternannte Gurus und vermeintliche Wunderheilungen, dass man sich hier unweigerlich auf vermintes Feld begibt. Eine Regel ist jedoch einfach und sicherlich sinnvoll: Industriell verarbeitete Lebensmittel sollte man meiden. Diese Produkte haben zwar den Vorteil, dass sie keine Infektionskrankheiten verbreiten und oft gut schmecken, doch sie verkürzen die Lebenszeit und fördern die Gewichtszunahme. Das wurde in groß angelegten Studien des National Health Institute (USA), einem Meilenstein der Ernährungsmedizin, eindeutig belegt.
Und noch eine Regel lohnt es sich zu befolgen: Man sollte darauf achten, weniger zu essen, als das Hungergefühl einem vorgibt und lieber noch einmal in sich hineinspüren: Bin ich vielleicht schon satt? Oft folgt die Erkenntnis: Ja, tatsächlich! Ups – jetzt gehören wir wohl auch zu den Ernährungsgurus!
English
The Narcissus Fairy
Brown bulbs were buried deep; Now, from the kind old earth, Out of the winter’s sleep, Comes a new birth!
Flowers on stems that sway; Flowers of snowy white; Flowers as sweet as day, After the night.
So does Narcissus bring Tidings most glad and plain: “Winter’s gone; here is Spring—Easter again!”
Poem & Illustration: Cicely Mary Barker
Yes, the first narcissi are blooming, heralding the arrival of spring. The wonderfully poetic words and illustrations of British illustrator and poet Cicely Mary Barker capture this season’s magic beautifully. She could not have known that Easter 2025 would fall in April, but fortunately, that does not stop the narcissi from blooming in March.
Speaking of Heidelberg Spring (Heidelberger Frühling): The fabulous classical music festival of the same name starts on March 22. The following comic fits the theme perfectly, and here you can find this year’s program: www.heidelberger-fruehling.de
Post Scriptum
Mit einem kurzen Plädoyer für mehr Gelassenheit verabschieden wir Sie in den Frühlingsmonat März. Denken Sie sich in stressigen Momenten einfach an die Worte von Otto Reutter: ‚In 50 Jahren ist alles vorbei.‘
Eine ähnliche Gelassenheit zeigt sich auch bei Wilhelm Busch. In seinem Frühwerk zeichnet er ein humorvolles Bild des Heiligen Antonius – nicht als asketischen Büßer, sondern als verschmitzten Rechner. Er sichert sich seinen Platz an der Seite der Himmelskönigin Maria nicht durch Entsagung, sondern durch unerwartete Tat: Er verschont eine ihm zugeführte Wildsau und schließt mit ihr ein enges Band der Freundschaft. Gemeinsam werden sie ins Paradies aufgenommen, wo Maria sie wie folgt empfängt:
„Willkommen! Gehet ein in Frieden! Hier wird kein Freund vom Freund geschieden. Es kommt so manches Schaf herein, Warum nicht auch ein braves Schwein!“